Kanada B.C./Alberta 2023
Datum: Freitag, 7. Juli 2023
Startort: Hidden Cove Lodge, 2 km nördlich Telegraph Cove, (BC, CAN)
Zielort: Hidden Cove Lodge, 2 km nördlich Telegraph Cove, (BC, CAN)
Wetter: morgens dunstig, dann schön, ca. 18°
Ziegler-Summary: Frühe Tagwacht – Bärenausflug – Grizzly-Contest
Da wir bereits um 06.30 Uhr im Büro von Tide Rip in Telegraph Cove, dem Anbieter der heutigen Bärentour, sein müssen, heisst es heute früh aufstehen (wie wir oder vielmehr Mike das jeweils zu Hause macht, ist uns mittlerweile komplett schleierhaft). Um diese Zeit gibt es auch noch kein Frühstück in unserer Lodge, so dass wir quasi stocknüchtern Exi besteigen, die Holperpiste rauffahren und ca. 20 Minuten später bei Tide Rip reinstolpern. Die haben aber wenigstens einen Kaffee, oder was sie darunter verstehen, für uns.
Um 7 Uhr legt die «Grizzly Girl» ab, um uns zum Glendale Cove im Knights Inlet zu bringen. Unterwegs sehen wir einmal mehr Weisskopfseeadler, pazifischen weissbäuchige Delfine und einen Schwarzbären. Gut 2,5 Stunden dauert die Fahrt und mit jeder Minute wird das Wetter, das hier morgens oft diesig ist, besser. Kapitän Mike und Ischabel, unsere Guide, versorgen uns den ganzen Tag mit spannenden Informationen, untermalt mit unzähligen Charts und lehrreichen Infoblättern, die die Zeit wie im Flug vergehen lässt. Als wir am floating Steg von Tide Rip anlegen, um in die kleinen Beobachtungsboote umzusteigen, lacht die Sonne bereits und der Himmel ist blau.
Gleich als Erstes machen wir die Bekanntschaft von «Elder», auch «Prinzess Dirty Pants» genannt, einem 3-jährigen blonden Grizzly-Mädchen, das erst seit 3 Wochen ohne ihre Mutter auskommen muss. Bärenkinder bleiben ca. 3 Jahre bei ihren Müttern, bevor diese sie vertreiben, um sich erneut zu paaren. Aber Elder schlägt sich wacker und dreht Stein um Stein am Strand, um allfällig darunter verborgene Leckereien zu Tage zu fördern und scheint dabei recht erfolgreich zu sein. Sie lässt sich, obwohl wir mit dem Boot recht nahe an den Strand fahren in keinster Weise stören und schmatzt friedlich vor sich hin. Durch ihr helles Fell und dem schlammigen Untergrund am Strand, sehen ihre Beine aus, als hätte sie schmutzige Hosen an, deshalb der Spitzname.
Schweren Herzen fahren wir an den nächsten Strand, wo wir dann auch gleich «Cedar», die 13 Jahre alte Mutter von Elder kennenlernen. Ausserdem erschliesst sich uns der Grund dafür, dass sie ihre Tochter verjagt hat: Cedar wird auf Schritt und Tritt von «Pretty Boy», einem der dominanten Männchen der Gegend, begleitet. Der ist aber wie die meisten Männchen eher scheu und verzieht sich zwischendurch immer wieder ins Dickicht. Bären sind grundsätzlich Einzelgänger und die Männchen suchen nur in der Paarungszeit die Gesellschaft anderer Bären resp. Bärinnen. Ausserdem wurden die Grizzly-Bären in British Colombia bis 2017 noch bejagt und dabei vor allem die Männchen, was bis heute nachwirkt, wenn sie Menschen sehen (der älteste Grizzly der Gegend ist 35 Jahre alt, also wissen viele der Bären noch, dass von Menschen oftmals nichts Gutes ausgeht). Cedar hingegen, auch blond, allerdings etwas weniger hell als Elder, ist absolut entspannt und zeigt, woher Elder das mit den Steinen so gut kann.
Dann fahren wir quer über den Glendale Cove und dürfen auch noch die Grossmutter von Elder und Cedars Mama «Lenore» kennenlernen. Mit ihren 26 Jahren ist sie eine der beiden Matriarchinnen des Reviers und ein wahres Prachtexemplar eines Grizzlys. Mit ihrem hübschen Gesicht ist sie eine wahre Schönheit und die Gelassenheit in Person. Sie knabbert Muscheln von Steinen und ist selbst einfach zum Anbeissen. Cedar wird wohl eines Tages ihre Nachfolgerin in der Rolle der Matriarchin übernehmen, aber das dauert hoffentlich noch ein paar Jahre.
Dann kehren wir an den Steg zurück und bekommen selbst einen kleinen Lunch (wir bekommen alle Zutaten für einen Burrito und können uns selber reintun, was wir möchten). Es ist herrlich warm und wir schmausen das für uns ungewöhnliche Essen bei strahlendem Sonnenschein.
Nach der Mittagspause haben wir viel Zeit um Cedar und Pretty Boy, der sich sichtlich entspannt hat und nicht mehr flüchtet, zu beobachten, wie sie wie Kühe grasen. Über 80% der Nahrung von Grizzlys ist vegetarisch und um diese Zeit des Jahres fressen sie neben Krebstieren und Muscheln vor allem nahrhafte Gräser und Pflanzen. Im Herbst besteht ein Grossteil der Nahrung aus Beeren. Fisch und andere Säugetiere sind ebenfalls Bestandteil der Energiequellen, wobei die Aufnahme von vegetarischer Kost halt eben auch mit viel weniger Gefahren verbunden ist, als die Jagd – ausserdem verbraucht das auch weniger Energie.
Zum Abschluss des Halts im Glendale Cove wechseln wir nochmals auf die Seite zurück, wo wir zuvor Lenore gesehen haben, aber die ältere Dame scheint sich für ein Mittagsschläfchen zurückgezogen zu haben. Also wechseln wir vom Beobachtungsboot zurück auf die «Grizzly Girl» und geniessen den Grossteil der rasanten Rückfahrt auf dem Aussendeck – natürlich nicht ohne bei der Sichtung von Buckelwalen einen weiteren Stopp einzulegen.
Zum krönenden Abschluss führt Ischabel noch einen Wettbewerb durch, wo es um unser Bärenwissen geht und wen wunderts 😊: Mike gewinnt den Contest und bekommt ein Sternchen auf ihre Jacke – perfekter Abschluss eines wunderbaren Ausflugs.
Es ist fast 16 Uhr als wir wieder in Telegraph Cove anlegen und wir sind zwar todmüde (die ganze frische Luft schafft uns noch), aber rundum glücklich und zufrieden. Nach einem Bierchen in der «Old Saltery» kehren wir in die Lodge zurück, machen uns frisch und gehen dann Nachtessen. Wir sind allerdings um 20 Uhr bereits zurück, da wir uns kaum noch auf den Beinen halten können und werden heute wohl nicht mehr alt werden.